Allgemein wird der Begriff „Sucht“ eher mit Alkohol- oder Drogenabhängigkeit in Verbindung gebracht. Doch auch Medikamente können süchtig machen. Nach Einschätzung von Experten handelt es sich bei Medikamentensucht sogar um ein recht verbreitetes Problem. Medikamentensucht ist in allen sozialen Schichten zu finden. In Deutschland sind nach Schätzungen etwa 1,4 bis 1,9 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Unabhängig vom Geschlecht sind ältere Menschen häufiger betroffen als jüngere. Experten gehen davon aus, dass weit mehr Menschen unter Medikamentensucht leiden als bekannt ist.
Ärzte unterschieden zwischen Medikamentensucht und Medikamentenmissbrauch. Ein Medikamentenmissbrauch liegt immer dann vor, wenn Arzneimittel anders als vom verschreibenden Arzt vorgesehen eingesetzt werden. Der Medikamentenmissbrauch ist oft der erste Schritt auf dem Weg in eine Medikamentensucht. Von einer Medikamentensucht spricht man aber nur, wenn die konsumierten Arzneimittel die Psyche beeinflussen (psychotrope Medikamente).
Symptome einer Medikamentensucht treten auf, wenn der Betroffene die entsprechenden Medikamente eine gewisse Zeit nicht mehr oder in zu niedriger Dosis einnimmt. Es stellen sich dann sowohl körperliche als auch psychische Entzugserscheinungen ein.
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Bei Angsterkrankungen, Schlafstörungen oder Stressanzeichen verschreibt der Arzt häufig Benzodiazepine. Benzodiazepine sind Medikamente, die rezeptpflichtig in der Apotheke erhältlich sind. Sie wirken angstlösend, entspannend und beruhigend und werden auch als Tranquilizer bezeichnet (lat.: tranquillare = beruhigen). Schlafmittel können insbesondere in akuten Belastungssituationen eine große Erleichterung darstellen. Werden Schlaf- und Beruhigungsmittel über einen längeren Zeitraum eingenommen, haben sie ein enormes Suchtpotenzial. Sie machen sowohl körperlich, als auch psychisch abhängig. Außerdem kommt es zu einer Toleranzerhöhung. Das bedeutet, dass die Dosis immer weiter gesteigert werden muss, um den gleichen Effekt zu erzielen. Typische Symptome einer Medikamentensucht durch den Missbrauch von Schlaf- und Beruhigungsmitteln sind Leistungseinbußen, Verflachung der Interessen und eine allmähliche Veränderung der Persönlichkeit. Hinzu kommen schwere Entzugserscheinungen wie Schwäche, Schwindel, Zittern, innere Unruhe, Schlafstörungen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Zittern, Angstzustände, Reizbarkeit und Krampfanfälle. Außerdem kann sich eine sogenannte Wirkungsumkehr einstellen. Das bedeutet, dass die Betroffenen auf das das Mittel nicht mehr müde und ruhig, sondern im Gegenteil übererregt und euphorisiert reagieren.
Anregungsmittel und Appetitzügler (Psychostimulanzien)
Die sogenannten Psychostimulanzien sind Medikamente, die antriebssteigernd und appetitzügelnd wirken. Sie unterdrücken Müdigkeit und Hungergefühle und erhöhen die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Stimulanzien werden bei Patienten mit Schlummersucht (Narkolepsie) und Aufmerksamkeit-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) angewendet. Nehmen Betroffene die Medikamente nach Vorschrift des Arztes ein, entwickelt sich in der Regel keine Medikamentensucht. Es kommt jedoch vor, dass sich beispielsweise Sportler Zugriff auf Aufputschmittel wie Amphetamine verschaffen, um leistungsfähiger zu sein. Appetitzügelnde Stimulanzien wiederum werden nicht selten von Magersüchtigen eingenommen. Bei längerer Einnahme besteht eine hohe Gefahr, abhängig zu werden. Symptome des Entzugs sind Müdigkeit, psychomotorische Verlangsamung, Unruhe, Schlafstörungen sowie schwere Depressionen bis hin zur Suizidneigung.
Schmerz- und Betäubungsmittel
Als sehr wirksame Schmerz- und Betäubungsmittel (Analgetika) werden die sogenannten Opioide vor allem bei sehr starken und chronischen Schmerzen eingesetzt. Opioide führen bei falscher Dosis oder falscher Anwendungsdauer zu einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit sowie einer Toleranzentwicklung. Besonders bei Jugendlichen und in der Deutschrap-Szene ist zurzeit das Medikament „Tilidin“ sehr beliebt. Das Suchtpotenzial von Schmerz- und Betäubungsmitteln ist hoch und muss eigentlich dauerhaft ärztlich kontrolliert werden. Werden die Schmerzmittel zu häufig eingenommen, können die Medikamente einen Dauerkopfschmerz erzeugen. Zu den Entzugserscheinungen gehören ebenfalls Kopfschmerzen sowie Zittern, Schlafstörungen, Unruhe, Verspannung, schlechte Laune und Bewusstseinsstörungen.
Weitere Substanzen
Abgesehen von den oben genannten Wirkstoffen gibt es noch weitere Substanzklassen, die keine klassische Medikamentensucht verursachen, da sie nicht auf die Psyche wirken. Allerdings können diese Medikamente bei Missbrauch ebenfalls süchtig machen und große Schäden anrichten. Folgende Medikamente werden häufig missbräuchlich verwendet:
- Nasentropfen und -sprays mit abschwellender Wirkung
- Abführmittel (Laxanzien)
- Wachstums- und Sexualhormone
- Alkoholhaltige Arzneimittel